von Anne Stephan

Als ich mich Anfang Juli auf die Anfrage des ASV Zeuthen meldete, dass jeweils zwei Läufer*innen aus den Partnerstädten von Interlaken zum Jungfrau-Marathon eingeladen werden, war ich doch sehr blauäugig und habe zugesagt.

Ja, ich bin eine erfahrene Ultraläuferin und die Marathondistanz ist für weder mental noch physisch ein Problem. Aber als ich mich dann mit der Strecke und dem Höhenprofil auseinandergesetzt habe, kamen einige Zweifel auf, ob dies nicht doch eine Nummer zu groß für mich ist. Auf diesem Terrain und mit den Höhenmetern bin ich Neuling und unerfahren.

Aber ich wäre nicht ich, wenn ich diese Herausforderung nicht annehmen würde. Kurzerhand habe ich in Trailschuhe investiert (die Wahl hätte im Nachhinein betrachtet auf ein anderes Modell ausfallen sollen) und mich mental auf einen langsamen Berglauf eingestellt.

Los ging die Fahrt aus Berlin am Morgen des 4. September. Leider hat es mich zwei Abende zuvor mit Fieber und Darmproblemen erwischt. Ich dachte schon, ich könnte die Fahrt nicht antreten. Dabei hatte ich mich so auf meinen ersten Aufenthalt in der Schweiz und auch auf den Lauf gefreut. Also Tabletten genommen und versucht, die Fahrt so gut wie möglich zur Erholung zu nutzen.

Dank der Deutschen Bahn wurde die „Erholungsfahrt“ auch länger als gedacht. Mit etwas Verspätung kam ich im Restaurant „Schuh“ in Interlaken an und wurde sehr herzlich von allen Anwesenden empfangen. Es war ein toller Abend, mit interessanten Gesprächen und wertvollen Tipps für Ausflüge für den nächsten Tag. Am späten Abend erreichte ich mein Hotel in Bönigen, direkt am Brienzersee. Wie traumhaft die Lage war, zeigte sich im hellen am nächsten Morgen.

Den Freitagvormittag nutzte ich für einen kurzen Aktivierungslauf, auch um zu schauen, ob ein Start überhaupt Sinn macht. Naja, locker flockig ist anders, aber ganz aufgeben wollte ich den Lauf auch noch nicht. Also optimistisch bleiben. Mittags holte ich die Startunterlagen im Kursaal in Interlaken ab. Im Anschluss bin ich über Grindelwald und Seilbahn zum Ziel des Jungfrau-Marathon auf dem Eiger-Gletscher gefahren.

Oben war leider nichts zu sehen, aber wenn es Samstag mit einem Finish nicht klappen sollte, wollte ich wenigstens einmal im Zielbereich gewesen sein. Über Lauterbrunnen ging es mit der Bergbahn zurück in das sonnige Interlaken. Die Fahrt deckt sich mit dem Verlauf der Jungfrau-Marathonstrecke, also schon mal Eindrücke sammeln, was mich da morgen erwartet.

Am Abend stärkte ich mich bei der inkludierten Pasta-Party und ich nahm die vorfreudige, aufgeregte Atmosphäre aller Startenden auf. Zurück im Hotel ging es für mich früh ins Bett.

Am Samstag klingelte der Wecker bereits um 5:00 Uhr zum wake up Run, der eigentlich ziemlich gut lief. Die Hoffnung stieg, dass der Tag ein gutes Ende finden könnte. Das Hotel stellte mir Kaffee und ein Frühstückspaket zur Verfügung.

Um 7:00 Uhr ging es bereits Richtung Start in Interlaken als warum up Lauf. Pünktlich um 8:30 Uhr wurde gestartet, mit einer knapp 3 km langen Runde in Interlaken, bevor es über Bönigen, Mattern, Wilderswill ins Lauterbachtal geht.

Die ersten 26 km sind überwiegend flach, asphaltiert und daher relativ einfach zu laufen. Mein Tempo war eigentlich gut, trotzdem wurde ich von so vielen Läufer*innen überholt, dass ich mich tatsächlich auch mal umdrehte und vergewisserte, dass ich nicht gleich ganz hinten im Feld bin. Ehrlich, das habe ich noch nicht erlebt, dass ich so nach hinten durchgereicht wurde.

Die neu gekauften Trailschuhe fühlten sich wie Betonklötze an den Füßen an und waren für ein schnelles Laufen ungeeignet.

Bei Kilometer 27 geht es in die Wand hoch nach Wengen. Steigungen bis über 20 %. Jetzt war mir auch klar, warum alle so Gas gegeben haben zum Anfang. Eine Menschenkolonne. Je schneller man zu Beginn da ist, desto weiter vorne reiht man sich ein.

Brav reihte ich mich in die Schlange ein und wanderte so schnell wie die Masse es eben zu ließ nach oben. Dort im Anstieg konnte ich bereits viele überholen und mein dosiertes Anfangstempo machte sich bezahlbar.

Ab jetzt gab es eigentlich zur noch eine Richtung für mich. Immer weiter hoch (knapp 1.000 Höhenmeter waren auf den letzten 12 Kilometern zu erklimmen) und immer weiter nach vorne. Ich habe keine Ahnung wie viele Läuferinnen und Läufer ich überholt habe.

Es waren hunderte. Was aber noch viel schöner war: Es ging mir blendend. Ich bin mit den Gegebenheiten unerwartet gut zurechtgekommen, trotz der gesundheitlichen Umstände.

Wir hatten traumhaftes sonniges Wetter. Die Aussicht war grandios. Die Strecke Natur pur. Die Menschen, die uns zujubelten, überall. Ob in den Dörfern oder auf den Wanderwegen. Selbst aus den Bergbahnen wurde uns zugejubelt. Es war unbeschreiblich. Ich habe jeden Kilometer genossen und konnte nach 4:48 Stunden die Ziellinie überqueren. Viel schneller als selbst im gesunden Zustand erhofft.

Da fragt sich mein leistungssportorientiertes Gehirn gleich: Was wäre drin gewesen, wenn ich 100 %ig fit an den Start gegangen wäre? Ich werde es herausfinden. Weil eines ist klar: Das war nicht mein letzter Start bei diesem Lauf.

Ich komme wieder!!!

Zurück blicke ich auf eine unvergessliche Zeit in einer Region, wo Freundlichkeit an jeder Ecke zu spüren war. Die Region lebt für diesen Lauf. Jeder der die Möglichkeit hat, sollte dort wenigstens einmal Urlaub machen. Ich möchte mich hiermit noch einmal recht herzlich bei allen Beteiligten für die Einladung zum Jungfrau-Marathon bedanken.